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In jüngster Zeit hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Entscheidung getroffen, die weitreichende Folgen für die Handhabung von Masernnachweisen bei schulpflichtigen Kindern hat. (BayVGH Beschluss vom 15.01.2024 Az.: 20 Cs 243.1910,20 CE 23.1935 )

Mit dem Beschluss vom 15. Januar hat das höchste Verwaltungsgericht in Bayern erneut betont, dass Zwangsgelder bei fehlendem Masernnachweis nicht festgesetzt werden dürfen. Diese Entwicklung wirft ein neues Licht auf die Praxis der Behörden, die stattdessen vermehrt auf Bußgelder setzen.

Unterscheidung zwischen Buß- und Zwangsgeldern

Es ist essenziell, die Unterschiede zwischen Buß- und Zwangsgeldern zu verstehen.

  • Während Zwangsgelder darauf abzielen, die Erfüllung von Pflichten (z.B. Abgabe der Steuererklärung ) zu erzwingen und somit präventiv wirken,
  • dienen Bußgelder der Ahndung von Fehlverhalten. (z.B. Geschwindigkeitsverstöße im Straßenverkehr) in der Vergangenheit.

Dieser Unterschied ist besonders relevant im Kontext der Masernnachweispflicht nach dem Infektionsschutzgesetz, welches den Nachweis einer Impfung, einer Kontraindikation oder Immunität für den Zugang zu Bildungseinrichtungen fordert und die Nichtvorlage mit einem Bußgeld sanktionieren will.

Juristische Argumentation gegen Bußgelder bei Impfnachweis

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass es keine Masern-Impfpflicht gibt und somit eine Durchsetzung mittels Zwangsgeld nicht in Betracht kommt. Diese Argumentation basiert auf der Prämisse, dass die Impfung „freiwillig“ bleibt und eine Impfpflicht gegen das Grundgesetz verstoßen würde.

Dieser Standpunkt wird auch vom Bundesverfassungsgericht geteilt, welches die Freiwilligkeit der Impfung betont und bis jetzt nur zu Vorschulkindern entschieden hat.

BVerfG Beschluss vom 21. Juli 2022
1 BvR 469/20, 1 BvR 472/20, 1 BvR 471/20, 1 BvR 470/20

Die Bedeutung für Behörden und Gerichte

Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sollte von Behörden und Amtsgerichten als richtungsweisend betrachtet werden. Insbesondere die klare Unterscheidung zwischen der Nichterfüllung einer nicht bestehenden Impfpflicht und einem sanktionierbaren Fehlverhalten bietet eine solide Basis für die Bewertung ähnlicher Fälle.

Einige Landkreise und Amtsgerichte haben bereits reagiert, indem sie Masern-Bußgeldverfahren auf Eis legen oder aussetzen, bis eine endgültige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Schulkindern vorliegt.

Fazit

Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist auch von erheblicher Bedeutung für die Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit dem Masernnachweis. Sie unterstreicht die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung von gesetzlichen Regelungen und betont die Freiwilligkeit der Impfung. Behörden und Gerichte sind angehalten, diese Rechtsprechung in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu wahren.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtslage weiterentwickelt, doch dieser Beschluss setzt ein wichtiges Zeichen und sollte unbedingt in laufenden Bußgeldverfahren eingereicht werden.

Musterschreiben

Musterschreiben, die im Bußgeldverfahren eingereicht werden können. Achtung : Hier geht es nicht um ein Rechtsmittel. Lesen Sie dafür bitte die Rechtsbehelfsbelehrung in Ihrem Bescheid. Es geht nur um einen rechtlichen Hinweis auf diesen wichtigen Beschluss des BayVGH.

Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Hinweis und dieses Muster kann keine individuelle Rechtsberatung ersetzen.

Laden Sie den Beschluss runter und fügen diesen dem Schreiben als Anlage bei.

MUSTER:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich halte das Bußgeld für rechtswidrig, da es im Widerspruch zu dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15.01.2024 (Az.20 Cs 243.1910,20 CE 23.1935) steht.

In einem Eilbeschluss des Bayerische Verwaltungsgerichtshofs vom 15.01.2024 (20 CS 23.1910 bzw. 20 CE 23.1935, Rn. 24 ff.) ist erneut ausgesprochen worden, dass es KEINE Masern-Impfpflicht gibt und daher eine Durchsetzung mittels Zwangsgeld nicht in Betracht kommt. In diesem Beschluss (Rn. 29) heißt es:

„Ausnahmen und Freiheitsräume von dem Erfordernis einer Impfung oder Immunität, die nach Ausschöpfung der gesetzlich vorgesehenen Befugnisse verbleiben, sind danach hinzunehmen, zumal sie verfassungsrechtlich relevant – wenn nicht sogar geboten – sein dürften …“. 

Das Gericht bezieht sich dabei auf schul- und unterbringungspflichtigen Personen, die weder eine anderweitige Immunität gegen Masern noch eine medizinische Kontraindikation gegen die Impfung haben und bei denen ein Betretungsverbot gesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. § 20 Abs. 12 Satz 5 und Satz 6 IfSG). Daher kann der vom Gesetzgeber belassene Freiheitsraum für den Verzicht auf eine Impfung nicht im Einzelfall dadurch geschlossen werden, dass im Wege einer Zwangsvollstreckung der Nachweispflicht im Ergebnis mittelbar die Durchführung der Impfung behördlicherseits durchgesetzt wird (vgl. Rn. 29). Das Gericht hat dabei auch auf die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hingewiesen, das einen Freiheitsraum für den Verzicht auf eine Impfung gewährleistet (vgl. Rn. 29).

Danach kommt ein Zwangsgeld bei schulpflichtigen Kindern nicht in Betracht.

Die Auslegung von § 20 IfSG fällt in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, nicht der Amtsgerichte. Wenn ein Oberverwaltungsgericht bereits zweimal (!) in Anlehnung an das BVerfG bestätigt hat, dass es keine – auch keine faktische – Impfpflicht für Schulkinder gibt, dürfen Amtsgerichte diese Rechtsprechung nicht ignorieren.

Ohne Impfpflicht ist es LEGAL, keinen Impfnachweis zu besitzen. Dann kann die Nichtvorlage eines Nachweises auch nicht geahndet werden, weil kein Verschulden erkennbar ist. Bußgeld ohne ein feststellbares Verschulden wäre Willkür. Außerdem gilt die Unschuldsvermutung

Mit freundlichen Grüßen