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Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte bereits im September entschieden, dass ein Zwangsgeld bei Schulkindern nicht zulässig ist.

Warum musste der Bay VGH erneut entscheiden ?

Gleichwohl haben sich die Behörden nicht daran gehalten und weiter Zwangsgelder angedroht und festgesetzt. Ihre Argumentation: Das Zwangsgeld war nur in dem konkreten Fall wegen eines Verfahrensfehlers nicht ordnungsgemäß.

Ich habe schon in dem oben verlinkten Video erläutert, dass es sich hier keinesfalls nur um einen Verfahrensfehler handelte. Gott sei Dank hatte der bayerische Verwaltungsgerichtshof so schnell noch mal die Möglichkeit, das eindeutig klarzustellen. Während die erstinstanzlichen Entscheidungen vom Verwaltungsgericht Minden und Verwaltungsgericht Berlin durch alle Medien gingen, liest man von diesem großen Beschluss natürlich wieder nichts.

Teilt unbedingt dieses Video, damit so viele wie möglich von diesem Beschluss und den wichtigen Argumenten erfahren!!

Der bayerische Verwaltungsgerichtshof geht zunächst auf das Ziel des Masernschutzgesetzes ein.

Das Gesetzgeber habe mit dem Masernschutzgesetz vom 10. Februar 2020 das Ziel verfolgt, durch eine Steigerung der Impfquote vulnerable Personen, die nicht geimpft werden können, zu schützen und langfristig eine Ausrottung der Masern in Deutschland zu erreichen, wobei die Durchführung der Impfung selbst allerdings ausdrücklich freiwillig bleiben sollte (Verweis auf Gesetzesbegründung BT 19/13452 Seite 2)

Dafür sieht das Gesetz nun vor, dass Kinder ab dem ersten Lebensjahr einen ausreichenden Masernschutz vorweisen können müssen, wenn sie eine Kita, Schule oder sonstige Einrichtung im Sinne des Gesetzes besuchen oder dort tätig werden wollen.

Was darf die Behörde und was nicht ?

Dann geht der bayerische Verwaltungsgerichtshof detailliert auf die gesetzliche Vorschrift ein und erläutert, was die Behörde danach in welcher Reihenfolge zu machen hat. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hebt seinen Fokus darauf, dass es nur diese in § 20 Abs. 9 IfSG vorgesehen Maßnahmen sind, die die Behörde anwenden darf. Mehr nicht!

Rn. 29

„Über den Erlass eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots hinausgehende Konsequenzen für den Fall der Nichterfüllung einer Vorlageanordnung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG sieht das Gesetz nicht vor.

 In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich klargestellt, dass es sich beim Bestehen eines ausreichenden Impfschutzes oder einer anderweitig erworbenen Immunität gegen Masern „nicht um eine durch unmittelbaren Zwang durchsetzbare Pflicht“ handelt; vielmehr ergäben sich „die Konsequenzen eines nicht ausreichenden Impfschutzes beziehungsweise einer nicht ausreichenden Immunität (…) aus den Folgeabsätzen“, d.h. aus § 20 Abs. 9 ff. IfSG (BT-Drs. 19/13452 S. 27). Der Gesetzgeber hat seinem Beschluss demnach zugrunde gelegt, dass die Durchsetzung des grundsätzlichen Erfordernisses eines ausreichenden Impfschutzes oder einer anderweitigen Immunität gegen Masern für bestimmte Personengruppen aus § 20 Abs. 8 IfSG nur nach Maßgabe der speziell hierfür geschaffenen Regelungen (§ 20 Abs. 9 ff. IfSG) erfolgen soll.“

Der Nachweis darf angefordert werden, die Behörde darf zu einer Beratung einladen, zur Vervollständigung des Impfschutz auffordern, bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit von nachweisen  eine ärztliche Untersuchung anordnen oder Auskünfte einholen. In Einzelfällen darf sogar ein Betretung- und Tätigkeitsverbot ausgesprochen werden, was bei schulpflichtigen Kindern allerdings ausgeschlossen ist.

Und das war’s dann auch schon. Über den Erlass eines Betretungs – oder Tätigkeitsverbot hinausgehende Konsequenzen sieht das Gesetz nicht vor.

Insofern Verweis auf Gesetzesbegründung BT Drucksache 19/13452 Seite 27

Verfassungskonforme Auslegung verbietet Zwangsgeld bei Schulpflicht

So, und wenn es dann zu Lücken kommt, d.h. dass es dann im Einzelfall trotzdem Menschen geben kann, die ungeimpft weiter die Einrichtung besuchen, dann ist das hinzunehmen, weil die Norm verfassungskonform auszulegen ist.

Das hat das Bundesverfassungsgericht am 21.7.2022 getan und danach muss für die Betroffenen ein Freiheitsraum bleiben, sonst verstößt die Anwendung der Norm gegen das Grundgesetz. D.h. die Entscheidung gegen die Impfung muss möglich sein. Bei Kindergartenkindern ist es ganz einfach : Die Kinder können zu Hause bleiben.

Bei Schulkindern ist das wegen der Schulpflicht nicht möglich und deshalb darf dieser Freiheitsraum nicht dadurch geschlossen werden, das nunmehr mit einem Zwangsgeld mittelbar die Impfung erzwungen werden kann. Denn nur darauf haben Schulkinder einen Einfluss. Sie können nicht beeinflussen, ob eine Kontraindikation vorliegt oder ob sie bereits Masern hatten.

Rn. 26:

„ Der Gesetzgeber hat mit dem Masernschutzgesetz vom 10. Februar 2020 (BGBl. I S. 148) das Ziel verfolgt, durch eine deutliche Steigerung der Impfquote einen besseren Individualschutz von vulnerablen Personengruppen vor einer Masern-Infektion und einen „ausreichenden Gemeinschaftsschutz“ sowie „mittelfristig auch die Elimination der Masern in Deutschland“ zu erreichen (BT-Drs. 19/13452 S. 1 f.), wobei die Durchführung der Impfung selbst allerdings ausdrücklich freiwillig bleiben sollte (BT-Drs. 19/13452 S. 2; …..).“…..

Rn. 29

„Ausnahmen und Freiheitsräume von dem Erfordernis einer Impfung oder Immunität, die nach Ausschöpfung der gesetzlich vorgesehenen Befugnisse verbleiben, sind danach hinzunehmen, zumal sie verfassungsrechtlich relevant – wenn nicht sogar geboten – sein dürften:

Das Bundesverfassungsgericht hat das Gewicht des mit dem Erfordernis einer Impfung für bestimmte Personengruppen verbundenen Eingriffs in das Grundrecht der Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG maßgeblich daran gemessen, ob jeweils auch ein Verzicht auf die Impfung – und sei es unter Inkaufnahme gravierender Nachteile – möglich bleibt (vgl. BVerfG, B.v. 21.7.2022 – 1 BvR 469/20 u.a. – juris Rn. 145; B.v. 27.4.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris Rn. 209, 221).

 Vor diesem Hintergrund ist die im Gesetz angelegte (vgl. § 20 Abs. 12 Satz 8 IfSG; vgl. auch BT-Drs. 19/13452 S. 30: „eine durch Verwaltungsvollstreckungsrecht und insbesondere mit Zwangsgeld durchsetzbare Pflicht“) selbständige Vollstreckbarkeit einer behördlichen Anordnung der Vorlage eines Nachweises nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG aus systematischen, teleologischen und verfassungsrechtlichen Gründen zu begrenzen:

Wird innerhalb einer angemessenen Pflicht trotz einer vollziehbaren behördlichen Anforderung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG kein Nachweis vorgelegt, ist im Regelfall der Erlass eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots nach § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG die gesetzlich vorgesehene Konsequenz.

Parallel zu einem solchen Verbot wird eine (weitere) Vollstreckung der Nachweisvorlagepflicht mittels Zwangsgeld grundsätzlich schon deshalb nicht mehr in Betracht kommen, weil für die Dauer der Wirksamkeit des Betretungs- oder Tätigkeitsverbots keine Betreuungs-, Unterbringungs- oder Tätigkeitssituation besteht, die das Erfordernis eines Impfschutzes oder einer anderweitigen Immunität nach § 20 Abs. 8 IfSG begründen würde.

Ist dagegen der Erlass eines Betretungsverbots ausnahmsweise gesetzlich ausgeschlossen – wie bei schul- und unterbringungspflichtigen Personen (§ 20 Abs. 12 Satz 5 und Satz 6 IfSG) – kann der vom Gesetzgeber damit belassene Freiheitsraum für den Verzicht auf eine Impfung nicht im Einzelfall dadurch geschlossen werden, dass im Wege einer Zwangsvollstreckung der Nachweisevorlagepflicht aus § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG im Ergebnis mittelbar die Durchführung der Impfung – denn nur diese stellt (anders als das Bestehen einer anderweitigen Immunität oder einer medizinischen Kontraindikation) ein individuell beeinflussbares Verhalten dar – behördlicherseits durchgesetzt wird“

Fazit: solange die Schulpflicht besteht, ist nach dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein Zwangsgeld nicht möglich.

Ich habe die Entscheidung natürlich sofort in meinen Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in NRW eingereicht und hoffe, dass die zahlreichen Beschlüsse des Verwaltungsgericht Minden danach kein Bestand mehr haben können und auch die anderen Behörden endlich aufhören mit Zwangsgeldern die Durchsetzung einer „freiwilligen“ Impfung zu erzwingen.

BayVGH Beschluss vom 15.01.2024 Az.: 20 Cs 243.1910,20 CE 23.1935

Musterschreiben

Musterschreiben, die in verwaltungsrechtlichen Verfahren aber auch in Bußgeldverfahren eingereicht werden können. Achtung : Hier geht es nicht um ein Rechtsmittel. Lesen Sie dafür bitte die Rechtsbehelfsbelehrung. Es geht nur um einen rechtlichen Hinweis auf diesen wichtigen Beschluss des BayVGH.

Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Hinweis und dieses Muster kann keine individuelle Rechtsberatung ersetzen.

Laden Sie den Beschluss runter und fügen diesen dem Schreiben als Anlage bei.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich halte diese Zwangsgeldandrohung für rechtswidrig, da sie gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15.01.2024 (Az.20 Cs 243.1910,20 CE 23.1935) verstößt.

In einem Eilbeschluss des Bayerische Verwaltungsgerichtshofs vom 15.01.2024 (20 CS 23.1910 bzw. 20 CE 23.1935, Rn. 24 ff.) ist erneut ausgesprochen worden, dass es KEINE Masern-Impfpflicht gibt und daher eine Durchsetzung mittels Zwangsgeld nicht in Betracht kommt. In diesem Beschluss (Rn. 29) heißt es:

„Ausnahmen und Freiheitsräume von dem Erfordernis einer Impfung oder Immunität, die nach Ausschöpfung der gesetzlich vorgesehenen Befugnisse verbleiben, sind danach hinzunehmen, zumal sie verfassungsrechtlich relevant – wenn nicht sogar geboten – sein dürften …“. 

Das Gericht bezieht sich dabei auf schul- und unterbringungspflichtigen Personen, die weder eine anderweitige Immunität gegen Masern noch eine medizinische Kontraindikation gegen die Impfung haben und bei denen ein Betretungsverbot gesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. § 20 Abs. 12 Satz 5 und Satz 6 IfSG). Daher kann der vom Gesetzgeber belassene Freiheitsraum für den Verzicht auf eine Impfung nicht im Einzelfall dadurch geschlossen werden, dass im Wege einer Zwangsvollstreckung der Nachweispflicht im Ergebnis mittelbar die Durchführung der Impfung behördlicherseits durchgesetzt wird (vgl. Rn. 29). Das Gericht hat dabei auch auf die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hingewiesen, das einen Freiheitsraum für den Verzicht auf eine Impfung gewährleistet (vgl. Rn. 29).

Danach kommt ein Zwangsgeld bei schulpflichtigen Kindern nicht in Betracht.

Ich bin daher der Auffassung, dass Sie kein Zwangsgeld gegen mich verhängen können, um mich zur Vorlage eines Nachweises nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG zu zwingen. Ich bitte Sie daher, den Bescheid vom … aufzuheben und mir dies schriftlich zu bestätigen.

Mit freundlichen Grüßen