Ein bahnbrechendes Dokument sorgt für Aufsehen: In einer Stellungnahme vom 16. Mai 2024 hat die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz klargestellt, dass Bußgelder wegen fehlenden Masernnachweises nach § 73 Abs. 1a Nr. 7d IfSG nur dann rechtmäßig verhängt werden dürfen, wenn das Gesundheitsamt zuvor einen formellen Verwaltungsakt mit Fristsetzung erlassen hat.
Was bedeutet das konkret?
Die Nachweispflicht gegenüber dem Gesundheitsamt entsteht nicht automatisch, sondern nur „auf Anforderung“ – und diese Anforderung muss nach ständiger Rechtsprechung und nun auch nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz ein Verwaltungsakt sein. Formlose Schreiben mit wechselnden Fristen genügen nicht.
Die Generalstaatsanwaltschaft betont:
„Solange das Gesundheitsamt im Rahmen des ihm insoweit eingeräumten Ermessens von dem Erlass eines entsprechenden Verwaltungsakts absieht, besteht demnach keine Pflicht aus § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG, dem Gesundheitsamt einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen.“
Und weiter:
„Der Tatbestand des § 73 Abs. 1a IfSG setzt […] voraus, dass die Handlungspflicht, deren Verletzung geahndet werden soll, durch einen auf der Grundlage von § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG erlassenen und gemäß § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG sofort vollziehbaren Verwaltungsakt begründet worden ist.“
Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz vom 16. Mai 2024 Az.: 4 SsBs 68/25 – LINK
Warum ist das wichtig für Betroffene?
Nur ein Verwaltungsakt erfüllt die bußgeldrechtlich erforderliche Warn- und Anreizfunktion. Nur so ist klar:
- WANN genau eine Pflichtverletzung vorliegt,
- OB die Frist zur Vorlage eines Impfnachweises angemessen war und
- WELCHE rechtlichen Mittel dem Betroffenen zur Verfügung stehen.
Ohne Verwaltungsakt:
- kein wirksamer Bußgeldtatbestand (§ 73 Abs. 1a Nr. 7d IfSG),
- kein klarer Tatzeitpunkt (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG),
- keine Vollziehbarkeit des angeblichen Pflichtenverstoßes.
Bestätigt durch die Gerichte
Mehrere Oberverwaltungsgerichte haben sich dieser Linie bereits angeschlossen, u. a.:
- OVG NRW, Beschl. v. 20.01.2025 – 13 B 1437/23, juris
- Hess. VGH, Beschl. v. 19.12.2024 – 8 B 1752/24
Auch das Amtsgericht Pfaffenhofen hob einen Bußgeldbescheid auf, weil die Aufforderung des Gesundheitsamtes nicht als Verwaltungsakt erkennbar war.
⚖️ Fazit
Wenn Sie ein Bußgeld wegen fehlender Masernimpfung erhalten haben, prüfen Sie sorgfältig:
- Gab es einen Bescheid (nicht nur ein Schreiben)?
- War eine klare Frist gesetzt?
- War die Frist überhaupt realistisch (mind. 8 Wochen bei Erstimpfung)?
Ist dies nicht der Fall, bestehen nach der OStA Koblenz gute Erfolgsaussichten, das Verfahren erfolgreich abzuwehren.
Unser Tipp:
Wenden Sie sich frühzeitig an eine spezialisierte Anwaltskanzlei, um Ihre Rechte effektiv durchzusetzen – bevor ein Bußgeld bestandskräftig wird.
Als Hilfe zur Selbsthilfe bieten wir Musterschreiben an: https://kanzlei-rohring.de/downloads/musterschreiben-bussgeldverfahren-masern-impfnachweispflicht-%c2%a7-20-ifsg/