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Ich hatte ja in der letzten Woche schon dazu berichtet, dass es tatsächlich erste Tätigkeitsverbote gemäß § 20a IfSG in Deutschland gibt. Ich hatte auch darauf hingewiesen, dass es in den mir bekannten Fällen stets heißt, dass der Arbeitgeber auf die entsprechenden Mitarbeiter verzichten können will.

Welche Risiken für Arbeitgeber mit derartigen Aussagen verbunden sein können, habe ich in diesem Beitrag erläutert:

In dem heutigen Beitrag lesen Sie, was betroffene Arbeitnehmer machen können, damit das Gesundheitsamt die Angaben des Arbeitgebers nicht einfach ungeprüft übernehmen kann und was Arbeitgeber vortragen sollten, damit es nicht zu einem Tätigkeitsverbot kommt.

Es gibt noch nicht viele Fälle in ganz Deutschland. In den Fällen, die mir bekannt sind – auch über Kollegen – war es stets so, dass die Arbeitgeber die Verzichtbarkeit der Mitarbeiter bestätigt oder sich gar nicht dazu geäußert haben sollen.

Es zeigt sich damit, dass es der Arbeitgeber scheinbar in der Hand hat , durch willkürliche Angaben gegenüber dem Gesundheitsamt, Mitarbeiter loswerden zu können.

Und sei es nur um sagen zu können, dass bei ihm „keine ungeimpften Mitarbeiter“ beschäftigt sind.

Das kann nicht sein!

Gesundheitsämter brauchen Anlass, Angaben des Arbeitgebers zu überprüfen

Deshalb ist es wichtig, dass die Gesundheitsämter dafür sensibilisiert werden, dass sie die Angaben der Arbeitgeber nicht ungeprüft übernehmen dürfen.

Es gab in der letzten Woche mehrere Pressemitteilungen, wonach Tätigkeitsverbote als Ultima Ratio d.h. nur als letztes Mittel in Betracht kommen und eine Entscheidung nach Augenmaß zu erfolgen habe:

Stimmen aus der Presse

Aus Bremen: Lukas Fuhrmann, Sprecher der Bremer Gesundheitsbehörde  

„Bei den Tätigkeitsverboten handele es sich um Einzelfallentscheidungen, sagt Fuhrmann. Jeder Fall müsse ausreichend geprüft werden, da es sich bei einem Verbot um einen massiven Eingriff in die Grundrechte handele.“

https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/taetigkeitsverbote-ungeimpfte-corona-bremen-100.html

Aus Brandenburg :

„….Ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot sei „das letzte Mittel“. Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hatte im Juni im Landtag gesagt, die Gesundheitsämter übten ihren Ermessensspielraum stets mit Augenmaß aus. 

https://www.rbb24.de/panorama/thema/corona/beitraege/2022/07/brandenburg-corona-ungeimpft-betretungsverbot-gesundheitspersonal.html

Das ZDF  zitiert das Sozialministerium in Sachsen:

„Ermessensspielraum ist so zu nutzen, dass die Versorgungssicherheit der betroffenen Einrichtung nicht gefährdet wird.“

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-impfpflicht-gesundheitswesen-strafe-bussgeld-100.html

Die Gesundheitsämter können die Angaben der Arbeitgeber daher nicht einfach ungeprüft übernehmen.

Dies insbesondere dann nicht, wenn sie vom Arbeitnehmer (!) darauf hingewiesen werden, dass die Versorgungssicherheit gefährdet ist.

Tipps für Arbeitnehmer:

D.h. Arbeitnehmer sollten bei einer Anhörung unbedingt

  1. die Mitteilung der entscheidungserheblichen Tatsachen fordern und
  2. darauf bestehen, dass Ihnen das Ergebnis der Anhörung der Arbeitgeber mitgeteilt wird, damit sie im Rahmen der Anhörung dazu Stellung nehmen können.
  3. Hilfsweise sollte Akteneinsicht beantragt werden (vgl. Musterschreiben: Musterschreiben | Post vom Gesundheitsamt: Anforderung nach § 20a Abs.5 IfSG – Ellen Rohring Rechtsanwältin (kanzlei-rohring.de) )
  4. Deutliche Hinweis durch die Arbeitnehmer, dass es der Arbeitgeber – ungeachtet von etwaigen Versorgungsengpässen –  darauf abgesehen haben könnte, den Mitarbeiter loszuwerden.
    Wenn es dafür konkrete Anhaltspunkte gibt, sollten die unbedingt vorgetragen werden (Rundschreiben/Stellenausschreibungen/ Freistellung) insbesondere sollte man auch die Versorgungs- und Personalsituation in der Einrichtung darstellen. (Checkliste am Ende des Beitrags).

Auch jetzt noch nicht betroffene Arbeitnehmer sollten sich bereits vorab

  • ihre Überstunden und
  • krankheitsbedingte Fehlbestände in der Einrichtung notieren,
    damit sie das später ihrem Anwalt geben und entsprechend vortragen können.

In diesem Video gehe ich darauf ein, warum die Anhörungen der Gesundheitsämter in der Regel nicht ordnungsgemäß sind:

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Tipps für Arbeitgeber:

Auf der anderen Seite zeigt die aktuelle Entwicklung aber auch, dass Arbeitgeber ein Verbot durch wahrheitsgemäße Angaben zur Versorgungssituation verhindern können.

Da die Gesundheitsämter die Anhörung der Arbeitgeber häufig auch sehr sparsam ohne konkrete Fragen ausgestalten, sollten sich Arbeitgeber an der folgenden Checkliste orientieren:

Checkliste Anhörung Versorgungssicherheit:

  1. Beschreibung des Tätigkeitsbereichs – welche Tätigkeit übt die Person konkret aus und in welchem Bereich/Station ist Sie tätig?
  1. Hat die betroffene Person überhaupt Patientenkontakt ? ( Verwaltungstätigkeit /  Labortätigkeit/Homeoffice/ Elternzeit / Krankheit) Wie sieht der Arbeitsplatz der Person konkret aus (insbesondere im Hinblick auf ein möglichen räumlich oder zeitlich abgetrennten Tätigkeitsbereich-beispielsweise separates Verwaltungsgebäude oder Reinigungsarbeiten nach den Öffnungszeiten der Praxis?)

  2. Wird die Person nur in der Liegenschaft tätig oder besucht sie auch Patienten/Kunden außerhalb der Einrichtung/des Unternehmens?

  3. Wird die Tätigkeit im Rahmen einer beruflichen Ausbildung (z.B. auch schulisches Blockpraktikum oder duales Studium) ausgeübt?

  4. Besteht die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung der Person (ohne Kontakt zu vulnerablen Gruppen/Homeoffice)?

  5. Hygienekonzept ? Welche Schutzmaßnahmen werden, gegebenenfalls zusätzlich, getroffen?

  6. Wer gehört zum Patienten- oder Bewohnerkreis?

  7. Wie vulnerabel sind die behandelten, gepflegten oder betreuten Personen? (Anteil der Geimpften?)

  8. Ist die in der Einrichtung tätige Person für die Aufrechterhaltung des Betriebs zwingend erforderlich; wenn ja, warum ?
    (Alleinstellungsmerkmale/Qualifikationen des Betroffenen/langjährige Berufserfahrung)
  1. Beschreibung der Versorgungssituation aktuell/in den letzten Monaten (krankheitsbedingte Fehlbestände/Überstunden)
  2. Beschreibung der Versorgungssituation in der Region. Gibt es eine Warteliste ?
  3. Auswirkung eines Tätigkeitsverbots auf die Versorgungssituation
    • Hinweise auf wesentliche Beeinträchtigungen der Versorgung der Patienten als Folge der Umsetzung des Verbots(wie viele Patienten/Kunden könnten nicht mehr behandelt/betreut werden?)
    • Verhältnis der in Ihrer Einrichtung tätigen Personen zu den betreuenden Personen
    • Kann die Personalsituation kompensiert werden?
Zusätzliche Fragen für Einrichtungen nach dem Wohn-und Teilhabegesetz:

13. Würde durch ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot die Fachkraftquote unterschritten ?

  • Wie viele Stellen sind in der Einrichtung mit Fachkräften nach dem Wohn-und Teilhabegesetz, wie viele Stellen mit Nichtfachkräften besetzt?
  • Wie viele Bewohner bzw. Nutzer werden von der Einrichtung bzw. den Unternehmen betreut (aufgeschlüsselt nach Pflegegrad)?

Erste Erfolge:

Das erste Tätigkeitsverbot meiner Mandantschaft wurde am Donnerstag übrigens widerrufen ,nachdem ich nur ein formloses Schreiben an das Gesundheitsamt geschickt hatte. Hier war weder eine Klage noch einstweiliger Rechtschutz erforderlich.

Aber Achtung: Das ist eine Ausnahme! Bitte beachten Sie unbedingt die Fristen und erforderlichen Rechtsbehelfe in der Rechtsbehelfsbelehrung !

Fazit:

Es kann nicht oft genug wiederholt werden, dass dem Arbeitgeber in den Verfahren scheinbar eine Schlüsselrolle zukommt. Dies sollten Arbeitgeber nutzen, um wichtige langjährige und erfahrene Mitarbeiter vor einem Tätigkeitsverbot zu bewahren.

Betroffene Arbeitnehmer sollten das Gesundheitsamt auf Gefahren für die Versorgungssicherheit und ggf. Motivationen des Arbeitgebers hinweisen.