Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hatte gestern eine Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeheimen und Kitas in Aussicht gestellt. Auf Nachfrage hatte sie bestätigt, dass die Mitglieder der angestrebten Ampel-Koalition sich in dieser Frage einig seien. Nach späteren Angaben der Grünen-Fraktion sollte dies aber dann doch nicht der Fall sein und man wolle darüber nur beraten.
Heute Morgen habe ich natürlich schon erste Berichte dazu gelesen, dass eine Impfpflicht juristisch möglich wäre und Impfunwillige dann sogar von der Polizei zum Impfarzt gebracht werden könnten.
In diesem Beitrag erfahren Sie, wann eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen möglich sein könnte und warum ich aktuell nicht davon ausgehe.
Gesetzliche Grundlage
Aktuell ist eine theoretisch möglich Rechtsverordnungsermächtigung für eine Impflicht in § 20 Abs. 6 oder Abs. 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) vorgesehen. Diese dürfte jedoch nur für „Notfälle“ (BT-Drucks. 3/1888, S. 23) greifen, wie die Begründung zum früheren Bundes-Seuchengesetz betont, auf die sich die Begründung zum Infektionsschutzgesetz der Sache nach bezieht (vgl. BT-Drucks. 14/2530, S. 72).
Eine tätigkeits- bzw. berufsbezogene Impfpflicht auf § 20 Abs.6 oder Abs. 7 IfSG zu stützen, ist auch deshalb problematisch, weil der Verordnungsgeber nur anordnen kann, dass
„bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen […] teilzunehmen haben“
(§ 20 Abs. 6 Satz 1 IfSG).
Ich kann mir gerade nicht vorstellen, inwiefern Pflegekräfte oder Mitarbeiter in einer Kita ein besonders bedrohter Teil der Bevölkerung sein sollen.
Eine parlamentsgesetzliche Regelung einer tätigkeitsbezogenen Impfpflicht gibt es bislang nur hinsichtlich der Masernimpfung (vgl. § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht noch nicht abschließend über die dagegen eingelegten Verfassungsbeschwerden entschieden. Die eigentlich für dieses Jahr erwartete Hauptsache-Entscheidung musste wegen der vielen Corona-Verfahren verschoben werden.
Klar ist jedenfalls, dass eine Impfpflicht für alle oder für bestimmte Berufsgruppen nur per Gesetz eingeführt werden könnte.
Verfassungsrechtliche Anforderungen
Eine gesetzliche Impfpflicht kommt aber nur unter der Bedingung in Betracht, dass das Ziel anders nicht erreicht werden kann.
Ziele einer Impfpflicht
Aber dafür müsste das Ziel zunächst genau benannt werden.
Was wäre das Ziel der Impfpflicht?
- die Überlastung des Gesundheitssystems oder
- die Überlastung der Intensivstationen vermeiden,
- allgemein weniger Covid-Erkrankungen,
- weniger Long-Covid-Fälle oder
- eine hohe Impfquote / Herdenimmunität?
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Impfpflicht wäre dann zu prüfen, ob die Impfpflicht geeignet, erforderlich und angemessen ist, um diese Ziele zu erreichen.
Geeignetheit
Je nachdem, für welches Ziel man sich entscheidet, müsste die Impfpflicht zur Erreichung dieses Ziels geeignet sein.
Die Corona-Impfung führt jedoch nach Auskunft von Experte keine sterilisierende Immunität herbei, d.h. auch geimpfte Personen können andere Personen anstecken, so dass eine hohe Impfquote allein nicht das Ziel sein dürfte.
Da insb. bei Pflegeberufen ein Fachkräftemangel herrscht, könnten Pflegekräfte mit einer Impfpflicht aus ihren gesellschaftlich so relevanten Berufe getrieben werden und dadurch könnte eine Impfpflicht indirekt eine Gefahr für das Gesundheitssystem hervorrufen.
Hohe Impfquote im Pflegebereich
Dank der Impf-Priorisierung waren Ärzte hierzulande schon im Juli 2021 zu 94 Prozent vollständig geimpft und das Pflegepersonal zu 90 Prozent, ist die Diskussion um eine Impfpflicht für diese Berufsgruppe hinfällig. Mehr zu den Zahlen lesen Sie in dieser Studie.
Erforderlichkeit
Die meisten Bedenken haben Juristen aber unter dem Aspekt der Erforderlichkeit.
Hier muss geprüft werden, ob es nicht ein anderes Mittel gibt, was milder ist und dem Betroffenen nicht so sehr in seinen Grundrechten einschränkt.
Corona-Test als milderes Mittel?
Ist nicht ein ungeimpfter, der verlässlich getestet ist, vielleicht genauso wenig infektiös also geht von diesem ein genauso geringes Risiko aus, wie von einem Geimpften.
Wenn man das mit Ja beantworten könnte, wäre es ganz schwierig zu begründen, warum man trotzdem eine Impfpflicht für diese besonderen Berufsgruppen braucht.
Impfung soll keine sterile Immunität vermitteln
In diesem Zusammenhang muss sich die Bundesregierung auch damit auseinandersetzen, dass eine Impfung nicht zu einer sterilen Immunität führen und damit keinen 100 %igen Fremdschutz gewähren soll, so dass hier sogar die These aufgestellt werden könnte, dass die verlässlich getestete Person, die sich an das Hygienekonzept hält, möglicherweise sogar den effektivsten Infektionsschutz haben könnte.
Testpflicht für Alle?
Dafür könnte auch sprechen, dass viele Virologen zur Pandemiebekämpfung die Testpflicht auch für Ungeimpfte fordern.
Angemessenheit
Schließlich müsste eine Impfpflicht auch angemessen, d.h. verhältnismäßig i.e.S. sein.
Hier werden die Grundrechte miteinander abgewogen und dem Schutz der öffentlichen Gesundheit müsste der Gefahr möglicher / nicht bekannte Langzeitfolgen / Nebenwirkungen gegenüber gestellt werden. Auch wenn von offizieller Seite Nebenwirkungen und Langzeitfolgen verneint werden, so können diese heute denknotwendig noch gar nicht alle bekannt sein.
Ein Beispiel ist der Impfstoff Pandemrix, der 2009 im Rahmen der Schweinegrippe verimpft worden ist und infolgedessen einige Kindern und junge Erwachsene an Narkolepsie erkrankten.
Wenn es eine sterile Immunität (also der Fremdschutz) gegeben wäre, wären dies wichtige Punkte, die bei der Abwägung ins Gewicht fallen würden.
Wenn die Covid-19-Impfung aber keinen Fremdschutz im Sinne einer sterilen Immunität vermitteln sollte, sondern in erster Linie einen Selbstschutz darstellt, dürften derartige Eingriffe nicht angemessen und damit nicht verhältnismäßig sein.
Das RKI veröffentlicht am 11.11.2021 für die über 60-jährigen Impfdurchbrüche in Höhe von 60,9 %. 45,1 % der hospitalisierten Covid-Fälle sollen geimpft sein und 36 % der Covid-Fälle auf Intensivstation entfallen auf Geimpfte.
Wenn wir dann noch bedenken, dass die Geimpften gar nicht mehr getestet werden und damit die symptomlosen Impfdurchbrüche gar nicht erfasst werden, könnte der Anteil der Impfdurchbrüche noch höher sein.
Dafür sprechen auch neue Studienergebnisse, die mir von Experten weitergeleitet wurden.
Es geht um aktuelle wissenschaftliche Publikation aus der Zeitschrift des US Department of Health and Human Services/Centers of Disease Control and Prevention:
Die Kernaussage der Untersuchungen von Infizierten mit vollständiger Impfung und Ungeimpften ist, dass keine Unterschiede in der Viruslast bestehen (Ct Wert = cycle threshold = Anzahl der Zyklen bis zum Erreichen eines positiven PCR Tests – je mehr Zyklen benötigt werden, desto geringer die Viruslast). Die Impfung würde auch danach bestenfalls zu einem Selbstschutz, jedoch nicht zu einem Fremdschutz führen.
Mit diesen Erkenntnissen insb. im Zusammenhang mit den zahlreichen Impfdurchbrüchen dürfte es auch schwer sein, die These aufrecht zu halten, dass eine Impfung und ein negativer Corona-Test die gleiche Aussagekraft besitzen. Damit entfiele aber auch der sachliche Grund für eine Ungleichbehandlung.
Ich sehe daher für die Einführung einer gesetzlichen Imfpflicht hohe verfassungsrechtliche Hürden und kann sie mir daher aktuell nicht vorstellen.