Die Entscheidung der Beschäftigten, sich impfen zu lassen, ist, solange es keine Impfpflicht gibt, privater und sensibler Natur. Bei den Angaben zum Impfstatus handelt es sich daher um besonders schützenswerte Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Bereits die Frage nach dem Corona-Impfstatus stellt eine Datenerhebung (Verarbeitung) dar und ist nur dann zulässig, wenn diese Angabe erforderlich ist, damit der Arbeitgeber oder die beschäftigte Person
„die ihm bzw. ihr aus dem Arbeitsrecht und dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erwachsenden Rechte ausüben und seinen bzw. ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen kann, soweit dies nach Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedsstaaten oder einer Kollektivvereinbarung nach dem Recht der Mitgliedstaaten, das geeignete Garantien für die Grundrechte und die Interessen der betroffenen Person vorsieht, zulässig ist“ – (Art. 9 Abs. 2b DSGVO).
Kurz gesagt, nur wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes oder schutzwürdiges Interesse an dieser Information hat, darf er danach fragen. Zunächst gibt es keine gesetzliche Impfpflicht gegen Corona, deren Einhaltung der Arbeitgeber überwachen müsste. Ein allgemeines Fragerecht des Arbeitgebers wurde trotz entsprechender politischer Diskussionen auch nicht in die aktuelle Corona-Arbeitsschutzverordnung aufgenommen. Die Hürden für ein Fragerecht nach dem Corona-Impfstatus sind daher sehr hoch.
Gesetzliches Fragerecht
§ 23 a Infektionsschutzgesetz (IfSG) sieht ein Fragerecht nach dem Impfstatus der Beschäftigten lediglich dann vor, wenn dies zur Erfüllung von Verpflichtungen aus § 23 Absatz 3 IfSG erforderlich ist. Davon sind aber nur Einrichtungen im medizinischen Bereich und in der Pflege erfasst.
Am 10. September wurde § 36 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz geändert. Danach dürfen Arbeitgeber nunmehr die Mitarbeiterinnen in Kitas, Schulen und Gemeinschaftsunterkünften – bei einer vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite – zu ihrem Impf- oder Genesenenstatus befragen. Die Information solle dazu dienen, arbeitsorganisatorische Abläufe innerhalb des Unternehmens zu regeln, beispielsweise Dienstpläne zu organisieren, heißt es. Diese Neuerung gilt aber nur bei einer vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts.
Daneben wird die Auffassung vertreten, dass sich aus landesrechtlichen Regelungen ebenfalls ein Fragerecht ergeben könnte. Dies wird z.B. in NRW aus der Testpflicht nach 5 Tagen Abwesenheit der Arbeitnehmer vom Arbeitsplatz, vertreten. Da hier der Arbeitnehmer allerdings lediglich von der Testpflicht befreit würde, wenn er seinen Impfstatus offenlegt, sehe ich hier kein entsprechendes Fragerecht des Arbeitgebers, wenn der Arbeitnehmer einen negativen Coronatest vorlegt.
Auch landesrechtliche Regeln zur 2G-Option enthalten kein Fragerecht.
Außerdem sehe ich hier eine vorrangige Bundeszuständigkeit, d.h. ein Fragerecht müsste in einem Bundesgesetz oder einer Bundesverordnung geregelt werden, z.B. Corona-Arbeitsschutzverordnung oder das Infektionsschutzgesetz, die hierzu kein Fragerecht enthalten.
Somit dürfte ein Fragerecht des Arbeitgebers außerhalb der o.g. gesetzlichen Regelungen lediglich dann bestehen, wenn der Arbeitgeber diese Information benötigt, um gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten nachzukommen. Wichtig ist hier auch, dass es kein milderes Mittel geben darf, mit dem der Arbeitgeber der jeweiligen Pflicht ebenfalls nachkommen könnte.
Wie ist der Zusammenhang mit der Neuregelung der Quarantäne-Entschädigung für Corona-Ungeimpfte?
Heiß diskutiert wird ein Fragerecht im Zusammenhang mit der Entschädigungsprüfung nach § 56 Abs. 1 IfSG.
Fällt ein Arbeitnehmer wegen Quarantäne aus und hat er keine vorrangigen Ansprüche gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder aus § 616 BGB, muss der Arbeitgeber prüfen, ob ein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG besteht und er den Lohn zunächst weiter zahlen muss. Eine Entschädigung ist aber nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG ausgeschlossen, wenn diese durch die Inanspruchnahme einer Schutzimpfung hätte vermieden werden können.
Das Bundesgesundheitsministerium hat in einem Schreiben an die Deutschen Arbeitgeberverbände vom 27. August 2021 zwar dazu ausgeführt, dass es für Unternehmen schon „heute möglich (sei), in rechtlich zulässigerweise von ihren Arbeitnehmern die erforderlichen Informationen einzuholen, die für eine wirksame Anwendung des Anspruchsausschlusses nach § 56 Absatz l Satz 4 IfSG erforderlich sind“.
Ob dies auch datenschutzrechtlich angesichts der oben dargestellten hohen Anforderungen haltbar ist, bleibt abzuwarten. Eine gesetzliche Grundlage haben wir jedenfalls nicht und auch keine Rechtssicherheit, da die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Frage nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesgesundheitsministeriums fällt.
Fraglich ist auch, wie Arbeitgeber diese Angaben datenschutzkonform kontrollieren können. Fakt ist, dass beispielsweise der Blick in den Impfausweis auch höchstpersönliche Daten preisgeben dürfte, die von diesem eventuellen Fragerecht gerade nicht umfasst sein dürften. Bis zu einer gerichtlichen Klärung oder einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage bleibt für Unternehmen das Risiko von empfindlichen Bußgeldern nach der DSGVO.
Darf der Arbeitnehmer bei der Frage nach der Impfung lügen?
Im Arbeitsrecht kennen wir ein Recht zur Lüge bei unzulässigen Fragen des Arbeitgebers in Bewerbungssituationen. Hier schützt die Kandidaten das Persönlichkeitsrecht vor bestimmten Fragen und es darf ausnahmsweise bewusst die Unwahrheit gesagt werden.
Ein solches Recht zur Lüge sehe ich hier aber nicht. Wenn ein Fragerecht des Arbeitgebers besteht, sollte der Arbeitnehmer wahrheitsgemäß antworten, ansonsten riskiert er arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine Abmahnung oder Kündigung.
Sollte der Arbeitnehmer auf eine unzulässige Frage eine Impfung wahrheitswidrig bejaht haben und dann im Folgenden so eingesetzt werden, dass er nicht mehr getestet wird oder auch keinen Mundschutz mehr tragen muss und es dann zu einer Corona-Infektion kommen, könnte dies erhebliche rechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung haben. Vor allen Dingen, wenn der Verdacht nicht ausgeräumt werden kann, dass die Infektion auf diesen Arbeitnehmer zurückzuführen ist.
Im Zusammenhang mit der Quarantäne-Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz könnte eine solche Lüge einen versuchten Betrug darstellen, der letztlich sogar vollendet wäre, wenn der Arbeitgeber im Nachhinein aufgrund des Impfstatus keine Entschädigung erhält. Dies könnte dann auch als Grund für eine fristlose Kündigung genutzt werden.
So sehr ich die Interessen der Arbeitgeber nachvollziehen kann, einen Überblick darüber zu bekommen, ob alle Mitarbeiter geimpft sind, um beispielsweise die Kosten für die Arbeitnehmertests zu sparen. Hier sollten Arbeitgeber sehr vorsichtig sein.
Außerhalb des ausdrücklichen Fragerechts in bestimmten Branchen sollte die Frage auf keinen Fall anlasslos gestellt werden. Allenfalls dann, wenn Pflichten des Arbeitgebers betroffen sind oder der Arbeitnehmer z.B. tatsächlich in Quarantäne ist. Aber auch dann sollten keine Nachweise verlangt werden und wenn überhaupt so wenig wie möglich dokumentiert werden.
Bis zu einer gerichtlichen Klärung besteht für Unternehmen hier auf jeden Fall das Risiko von Bußgeldern nach der DSGVO, die empfindlich hoch sein können, sodass ich hier vielmehr Handlungsbedarf seitens der Politik sehe.