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Volkswagen versucht seit Jahren, den Käufern, die einen manipulierten Dieselmotor gekauft haben, glaubhaft zu machen, sie könnten jetzt sowieso nichts mehr machen, da die Ansprüche ohnehin alle verjährt seien. Käufer, die ihren Pkw ab dem 01.01.2016 gekauft haben, haben von VW auch gar kein Vergleichsangebot bekommen, weil zu diesem Zeitpunkt die Abschaltvorrichtung schon bekannt gewesen sei.

Ganz anders sieht es ein ganz aktuelles Urteil des OLG Koblenz, welches vielen Verbrauchern Hoffnung macht, die von VW kein Vergleichsangebot bekommen haben oder sich an der Musterfeststellungklage gar nicht beteiligt haben.

Im Wesentlichen geht es um zwei Fragen:

1. die Frage der Verjährung

2. die Frage, ob überhaupt noch eine sittenwidrige Schädigung vorliegen kann, wenn VW eine Internetseite eingerichtet hat, mit der jeder Kunde feststellen kann, ob sein Pkw von der Umschaltvorrichtung betroffen ist.

1. Die Frage der Verjährung ist umstritten. 

Sie richtet sich grundsätzlich nach §§ 195, 199 BGB.

Danach tritt Verjährung zum Jahresende ein, wenn Sie

  • trotz Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von einem möglichen Schadensersatzanspruch innerhalb von 3 Jahren nicht tätig werden.

Nun hat VW auf Druck des Kraftfahrt-Bundesamts im September 2015 eine Internetseite veröffentlicht, auf der jeder Kunde unter Angabe seiner Fahrzeug-Identnummer prüfen konnte, ob das Fahrzeug mit dem entsprechenden Motor EA 189 ausgestattet ist und daher von der Manipulation betroffen ist. Außerdem habe es zahlreiche Berichterstattungen über diese Umschaltlogik in den Medien gegeben.

Volkswagen verteidigt sich daher damit, dass die, die ihr Fahrzeug ab dem 01.01.2016 gekauft haben, wissen mussten, dass das eigene Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist.

Die Verjährung beginnt und endet zum Jahresende: 2016, 2017, 2018.

Danach wäre spätestens am 31.12.2018 alles verjährt gewesen und es könnten keine Klagen mehr eingereicht werden .

Ganz anders sieht es das OLG Koblenz, welches mit Urteil vom 03.04.2020, Az.: 8 U 1956/19, die Chancen der Kunden massiv verbessert!

Wie jetzt das OLG Koblenz halten es auch das OLG Oldenburg und das OLG Hamm für unangemessen, den Täter bei einer vollendeten sittenwidrigen Handlung mit Sanktionslosigkeit zu belohnen, nur, weil er eine Ad-hoc-Mitteilung mache.

Es kann nicht sein, dass der geschädigte Käufer das Risiko trägt, dass ihn die Aufklärungsmaßnahme von VW nicht erreicht hat.

Das OLG Koblenz stützt sich dabei auf die widersprüchliche Argumentation von VW selbst:

Volkswagen behauptet bis heute, sie hätten überhaupt keinen Fehler gemacht, da sie bei der Schadstoffausstoßmessung zu Recht auf Laborbedingungen abgestellt hätten.

Wie soll der Kunde Kenntnis von der Manipulation und möglichen Schadensersatzansprüchen haben, wenn VW diese bis heute bestreitet?

Meines Erachtens sprechen gute Gründe dafür, dass sich die betrogenen VW-Kunden frühestens 2017, als die ersten verbraucherfreundlichen Urteile gegen VW & Co. von Landgerichten oder Oberlandesgerichten gefällt und öffentlich kommuniziert wurden, bewusst werden konnten, dass ihnen hier ein rechtlicher Anspruch entstanden sein könnte.

Dann würde die Verjährung zum Jahresende eintreten (31.12.2020).

Das Landgericht Trier hat hierzu am 19.09.2019 mit dem Az.: 5 O 417/18 sogar festgestellt, dass die 3-jährige Verjährungsfrist erst dann zu laufen beginne, wenn eine endgültige Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorliegt.

Es bleibt spannend, wie der BGH dies wohl sehen wird.

2.Die zweite Frage ist die Frage der Sittenwidrigkeit

Das OLG Koblenz bejaht auch die Sittenwidrigkeit bei einem Kauf im Oktober 2017.

Das OLG Koblenz gehört damit zunächst einmal zu den 20 Oberlandesgerichten in Deutschland, die die Sittenwidrigkeit damit begründen, dass VW

  • aus Profitmaximierungsgründen darüber getäuscht habe,
  • dass die festgesetzten gesetzlichen Abgasgrenzwerte eingehalten werden,
  • um so auf kostengünstigen Weg die Typengenehmigung für die Fahrzeuge zu erhalten.

Das heißt durch die Software wurden – in der Werkstatt – andere Abgaswerte gemessen, als die die tatsächlich bei freier Fahrt in die Atmosphäre abgegeben wurden um so kostengünstig die Typengenehmigung zu erhalten.

Das OLG Koblenz bejaht in dem konkreten Fall diese Sittenwidrigkeit auch noch im Oktober 2017, als der dortige Kläger den Pkw erworben hatte.

Die Sittenwidrigkeit sei insbesondere nicht durch ein späteres Verhalten von VW entfallen.

VW habe sich in der von ihr angeführten Ad-hoc-Mitteilung und der Website nicht dazu bekannt

  • dass den Fahrzeugen wegen der Software nach der Ansicht des Kraftfahrt-Bundesamtes die Stilllegung des Fahrzeugs drohte,
  • VW habe auch nicht ihre sittenwidrige Motivation offen gelegt, dass sie allein aus Profitmaximierungsgründen darüber getäuscht habe, dass die festgesetzten gesetzlichen Abgasgrenzwerte eingehalten werden , um so auf kostengünstigen Weg die Typengenehmigung für die Fahrzeuge zu erhalten

Weder heute noch in 2017 gab es derartige Erklärungen, so dass nach dem OLG Koblenz weiterhin von einer Sittenwidrigkeit ausgegangen werden könne.

Das OLG Koblenz stellt dabei auch auf eine Äußerung in der mündlichen Verhandlung ab, in der VW betont habe,

  • dass sie den Bescheid des KBA in der Sache weiterhin für falsch halte und sich dem letztlich nur aus unternehmenspolitischer Verantwortung gebeugt habe.

VW bagatellisiere damit nicht nur bis heute den Schaden für die Umwelt und die hierauf bezogene Individualbetroffenheit.

Der Konzern trage vielmehr weiterhin vor und behaupte, dass er gar keine unerlaubte Abschalteinrichtung eingebaut habe und dass die der Zulassung zugrunde zu legenden Schadstoffwerte richtigerweise unter Laborbedingungen hätte ermittelt werden dürfen.

OLG Koblenz, Urteil vom 03.04.2020, Az.: 8 U 1956/19

Interessant sind hier auch noch einmal die Ausführungen des OLG Koblenz zu der fehlenden Kenntnis des Käufers.

OLG Koblenz:

„Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein durchschnittlicher Käufer jedenfalls grundsätzlich kein Fahrzeug zum Zwecke des Fahrbetriebs zu einem marktüblichen Preis erwirbt, wenn er weiß oder ernsthaft damit rechnet, dass diesem Fahrzeugtyp der Entzug der Typengenehmigung und eine mögliche Stilllegung droht.“

Das heißt: Niemand zahlt den vollen Kaufpreis, wenn er damit rechnet, dass das Fahrzeug stillgelegt werden kann. Die Zahlung des normalen Kaufpreises zeige vielmehr, dass der Käufer zumindest von einer möglichen Stilllegung noch nichts wusste (zu dem Zeitpunkt noch kein verbilligter Preis).

Dafür reiche auch nicht die von VW eingerichtete Website. VW könne man nur dann keine Sittenwidrigkeit mehr vorwerfen, wenn der Kunde ganz konkret wusste, dass er einen Pkw mit einem manipuliertem Motor erworben hat. Dies muss VW darlegen und beweisen.

Das ist ein Paukenschlag mit dem VW so bestimmt nicht gerechnet hat.

Es dürfte für den Volkswagen Konzern sehr schwierig sein, nachzuweisen, dass jeder einzelne Kunde ganz konkret Kenntnis von der Manipulation seines Pkws hatte.

Es zeigt aber, dass für all die, die kein Angebot von VW erhalten haben, ja sogar für die, die sich gar nicht an der Musterfeststellungsklage beteiligt haben, die Reise noch nicht vorbei ist.

Dies gilt vor allen Dingen für Fahrzeuge, die im Zeitpunkt des Kaufs nicht umgerüstet waren.

Lassen Sie sich daher unbedingt beraten. Spätestens zum Jahresende dürfte hier auch Verjährung eintreten.

Sollten Sie ein Vergleichsangebot von VW erhalten haben, empfehle ich unbedingt, dieses nicht ohne Beratung abzuschließen.

Die Frist zur Annahme des Vergleichs endet am 30.04.2020.

Das hoffentlich verbraucherfreundliche Urteil des BGH erwarten wir am 05.05.2020. Wenn Sie den Vergleich jetzt erst annehmen, könnten sie dieses Urteil erst abwarten und den Vergleich innerhalb der Widerrufsfrist noch widerrufen, wenn Sie eine entsprechende Widerrufsbelehrung erhalten haben.

Dazu habe ich bereits zwei Rechtstipps/Videos gemacht.

Achtung ! VW-Vergleich – Letzte Chance : „Widerruf“ des Vergleichs ( Musterfeststellungsklage )

Achtung ! VW-Vergleich – Letzte Chance : „Widerruf“ des Vergleichs ( Musterfeststellungsklage )

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